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Erschienen am
7.8.2019

Apps & Co. in die Regelversorgung – eine erste Einschätzung zum Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)

Susanne Rödel

Herr Spahn gibt Gas! Das DVG schafft wichtige Voraussetzungen für die Förderung und die Professionalisierung der digitalen Medizin in Deutschland. Vieles daraus soll schon ab 2020 umgesetzt werden. Ein kurzer Überblick und Kommentar.

Herr Spahn gibt Gas! Das DVG schafft wichtige Voraussetzungen für die Förderung und die Professionalisierung der digitalen Medizin in Deutschland. Vieles daraus wird schon ab 2020 umgesetzt. Ein kurzer Überblick und Kommentar.

Im Mai 2019 hat das BMG einen Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Versorgung durch Digitalisierung und Innovation vorgelegt.

Es sieht sehr viele Maßnahmen vor, mit denen die Digitalisierung der medizinischen Versorgung vorangetrieben werden soll. Ich fokussiere mich auf einige Aspekte, die mit dem Einsatz digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA, z. B. Gesundheitsapps) in der Regelversorgung zu tun haben und die für Anbieter, Ärzte, Patienten und Kassen relevant sind.

Die wichtigsten Punkte:

  • Ab 2020 müssen vom BfArM zugelassene Apps (und andere DiGA) erstattet werden.
  • Ärztliche Leistungen rund um die Anwendung der zugelassenen DiGA und der elektronischen Patientenakte (ePA) werden vergütet. 
  • Die ePA soll ab 2021 allen Patienten zur Verfügung stehen. 
  • Telematik und Telemedizin werden ausgebaut (u.a.Vereinfachung von Videosprechstunden, E-Rezepte an die Apotheke, Krankschreibung elektronisch an die Kasse, Anschluss von Krankenhäusern)
  • Mehr Geld vom Staat und mehr Investitionsmöglichkeiten für Krankenkassen (bis 2 % ihrer Finanzreserven) im Bereich Digital Health Innovation.

Am unmittelbarsten betrifft uns die Regelung zur Erstattung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Dazu habe ich mich ein wenig schlauer gemacht und auch mit Experten gesprochen.

Erstattung für DiGA

Um in die Regelversorgung zu gelangen, müssen Anbieter einen Antrag an das BfArM stellen. Es folgt dann ein „Fast Track“ genannter Prozess, der die Prüfung und die weiteren Schritte im ersten Jahr umfasst.

„Fast Track“ – Zulassung, Nutzenbewertung und Erstattung von DiGA

Voraussetzungen für die Erstattung einer DiGA sind folgende Grundanforderungen:

  • die Zulassung als Medizinprodukt (Klasse I oder IIa)
  • Interoperabilität: DiGA ist kompatibel mit der digitalen Infrastruktur 
  • Datenschutz und Datensicherheit sind gegeben

Zusätzlich zu den Grundanforderungen muss der Nutzen nachgewiesen werden („Positive Versorgungseffekte“): Das umfasst den medizinischen Nutzen oder Verfahrens- oder Strukturverbesserungen.

Sind die Anforderungen erfüllt, wird ein Produkt in ein zentrales, vom BfArM betriebenes Verzeichnis aufgenommen und kann verordnet werden. 

Danach startet die Preisverhandlung mit der GKV. Im ersten Jahr gilt der Herstellerpreis, danach wird der festgesetzte Preis gültig. Auch Ärzte werden jetzt für Ihre Leistungen vergütet, also wenn sie eine zugelassene DiGA erklären, einstellen oder auswerten etc.

Sind die positiven Versorgungseffekte noch nicht (ausreichend) nachgewiesen, was für die meisten Hersteller momentan der Fall sein dürfte, kann stattdessen ein Konzept eingereicht werden, wie diese in einer einjährigen Erprobungsphase nachgewiesen werden sollen. In dieser Erprobungsphase wird das Produkt bereits zum Herstellerpreis erstattet.

Ergänzung März 2020: Vom BfArM wird aktuell folgender Zeitplan kommuniziert: Bis zum 31.03.2020 wird das BfArM einen Leitfaden für die Antragstellung veröffentlichen. Ab April werden Beratungen für DiGA-Anbieter angeboten. Ab Mai soll das Beantragungsgportal online sein. Somit können im Sommer die erste DiGA zugelassen werden.  

Was folgt aus dem DVG?

  • DiGA werden zu einem Bestandteil der medizinischen Regelversorgung.  
  • Die Erstattungspflicht für Anwendungen, die sich noch in der Erprobungsphase befinden, ist für die Kassen sicher ein „harter Brocken“. Da es unter den DiGA-Anbietern viele Startups mit wenig Budget für Forschung & Entwicklung gibt, ist es aber ein sinnvoller Weg, um die Qualität der digitalen Medizin in Deutschland auf ein höheres Level zu heben.
  • Anbieter von DiGA, die in die Regelversorgung möchten, müssen sich weiter professionalisieren. Es kommt einiger Aufwand auf sie zu: umfangreiche Dokumentationen für das Inverkehrbringen als Medizinprodukt und für den Antrag beim BfArM, das Durchführen medizinischer Studien und ein intensives Marketing (denn allein die Aufnahme in das BfArM-Verzeichnis bewirkt noch keine Verordnung).
  • Da in 2020 auch die neue Medizinprodukte-Verordnung in Kraft tritt, werden die meisten DiGA der Klasse II zugeordnet werden. Für diese Klasse gibt es in Deutschland bisher nur wenige benannte Stellen. Der Engpass beim Prüfprozess ist bereits da und wurde durch eine Übergangsregelung entschärft.
  • Die Anforderungen an den Nutzennachweis sowie Datenschutz und Datensicherheit sind noch im Detail definiert. Der Nutzennachweis soll allerdings weniger streng ausgelegt werden, als bei Arzneimitteln (Es reicht der Vergleich Anwendung der DiGA versus keine Anwendung der DiGA).  
  • Selektivverträge sind weiterhin möglich.

Fazit

Faktisch sind DiGA für viele chronisch kranke Patienten längst Teil ihrer Patient Journey, das Angebot wächst rasant, die Qualität ist sehr heterogen (deshalb haben wir digimeda.de ins Leben gerufen). Es war dringend notwendig, Qualitätsstandards als Voraussetzung für eine Erstattung zu definieren.

Das Gesetz wird ein Meilenstein für die Professionalisierung des digitalen Arms in der Gesundheitsversorgung. Viele Details sind noch nicht definiert. Die ersten Prüfungen und Preisverhandlungen werden ein Lernprozess für alle Beteiligten, aus dem sich vermutlich noch Feinjustierungen ergeben werden.

Mit Blick auf die gesamte medizinische Versorgung stimmt mich ein Aspekt des Gesetzes allerdings nachdenklich: Dass die Kassen nun hunderte Millionen Euro in digitale Innovationen investieren dürfen und auf der anderen Seite die Leistungen von z. B. Physio- und Ergotherapeuten aktuell miserabel honoriert werden, empfinde ich als unausgewogen. Es ist wichtig, den „menschlichen Faktor“ in der Versorgung wieder mehr zu stärken. Heilberufler werden auch in einer „digitalisierten“ Medizin die wichtigsten Ansprechpartner für Patienten sein.

Susanne Rödel

Susanne Rödel

arbeitet als Medical Director bei Spirit Link. Sie ist Expertin für die Konzeption und Redaktion medizinischer Inhalte. Sie ist überzeugt: Hochwertige Inhalte – fachlich fundiert und zielgruppengerecht aufbereitet – sind ein zentrales Erfolgskriterium für die Kommunikation mit Ärzten und Patienten. Großes Potenzial sieht sie in digitalen Maßnahmen zur Förderung der Therapietreue der Patienten (Adhärenz).

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Dr. med.
Susanne Rödel

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